Berufsbild Kostümbildner/-in: Interview mit Anna Schmidbauer

Interview: Anna Schmidbauer über den Beruf als Kostümbildner

1. Hallo Frau Schmidbauer, stellen Sie sich und Ihre tägliche Arbeit kurz vor.

Ich bin Anna Schmidbauer und Kostümbildnerin seit 1993.
Die Phasen meiner Arbeit:

1. Produktionsphase – Vorbereitung und Entwicklung
• Durcharbeiten des Drehbuchs Anfertigen von Auszügen erste Ideen / Brainstorming
• erste Gespräche mit Regie, Kamera, Schauspielern, Architekt, Maske über dramaturgische, stilistische und farbliche
Konzeptionen, Funktion der Kostüme, Besetzung der Rollen
• erste Gespräche mit der Produktion über Budget und Disposition• Recherche: Bildmaterial, Milieustudien, historische und sachliche Infos aus Bibliotheken, Archiven, Museen, Büchern und Zeitschriften und dem Internet zusammentragen
• Zeichnen und Malen von Figurinen
• im Kostümfundus stöbern
• Stoffe, andere Materialien, Farben und Schnitttechnik – wenn nötig durch Zeichnungen – bestimmen in Zusammenarbeit mit entsprechenden Werkstätten und Herstellern
• Schauspieler mit seinen/ihren Eigenheiten, Vorzügen, “Problemzonen” und Maßen kennenlernen, analysieren und in die künstlerisch- dramaturgische Planung einbeziehen
• Kostenvoranschläge einholen, Kalkulation erstellen, Kostümetat festlegen
• Organisationsplanung in Absprache mit der Produktion, Mitarbeiterteam in Umfang und Kompetenzen bestimmen (Assistenten, Garderobiers, Schneider, Aushilfen etc.) Werkstätten, Kostümdepot, Garderobenräume und Fahrzeuge für Kostümtransport organisieren

2. Produktionsphase – Realisation
• Verwirklichung und Umsetzung der Ideen und Entwürfe
• Anproben mit Schausielern und Komparsen organisieren und Überwachen
• Fertigung der Kostüme überwachen
• Verhandlungen mit Lieferfirmen und Herstellern
• Einkaufen – mit und ohne Schauspieler
• Kostümabnahmen mit Regie, Kamera und Schauspielern – wenn möglich, in der Dekoration
• dramaturgisch bedingte Kostümanschlüsse und Tageseinteilung festlegen – mit Regie, bzw. Regie-Assistenz

3. Produktionsphase – Drehzeit
• rechtzeitige Bereitstellung der laut Disposition notwendigen Kostüme
• spontane Bereitschaft zu situationsbedingten, künstlerischen oder modischen Änderungen
• Weiterführung der Vorbereitungsarbeiten parallel zur Tagesdisposition
• ständige Kontrolle des Budgets
• Besuch von Mustervorführungen

4. Produktionsphase – Abwicklung
• Mitarbeiterteam und Arbeitsräume in Absprache mit der Produktion auflösen
Rücklieferung der Kostüme
• Administrative Abwicklung (= Kostüm-Kauflisten, Funduslisten, Abrechnungsnachweise, Rückkauflisten etc)
• Abrechnung des verwalteten Etats
• spontane Bereitschaft zu eventuell notwendigen Nachdrehs

2. Haben Sie sich in Ihrem Beruf auf ein Gebiet spezialisiert? Wie kam es zu diesem Entschluss?

Stoff- u. Kostümbearbeitung, färben u. patinieren, intensives Recherchieren von Milieus, Zeitepochen unter Berücksichtigung der bildenden Künste der jeweiligen Epochen historische Kostüme
– zeitgenössische Kostüme
– futuristische Kostüme
Beginn meiner Ausbildung war 1985 ein Modedesignstudium an der FH für Gestaltung in Bielefeld, welches mir bald zeigte, dass meine Passion für Kleidung, Ausdruck, Inhalt, Stil und Formen wesentlich mehr mit Kostümen für Film und Theater zu tun haben würde und so wechselte ich bis 1992 nach Hamburg an die FH für Gestaltung Armgartstraße zu Prof. Dirk von Bodisco für den Fachbereich Bühnen-und Kostümbild.

3. Worin liegen die Unterschiede zwischen Kostümbildner/in und Schneider/in? Was hat Sie an der Kostümbildnerei besonders fasziniert?

Als Kostümbildner entwickelt und entwirft man nach Absprache mit Regie/ Lektüre des Drehbuchs das charakteristische Aussehen der Protagonisten bis ins Detail. Der Gewandmeister ( hier fälschlich Schneider/in genannt) setzt dabei die Entwürfe detailgenau, nähtechnisch um, begleitet die Anproben, bietet evtl. andere Umsetzungsmöglichkeiten an. Gewandmeister sind Spezialisten im Bereich historischer Schnittführung und -umsetzung und historischer Anfertigungstechniken.

4. Frau Schmidbauer, Sie haben in Hamburg an der FH für Gestaltung ein Studium im Fachbereich Bühnen- und Kostümbild absolviert. Welche Vorteile hat Ihnen das Studium gebracht? Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach ein Studium in dieser Branche?

Ein Studium hilft dabei sich intensiv mit der Kunstgeschichte, der Geschichte des Kostüms, den historischen Epochen, den kreativen Umsetzungsformen, Materialkunde, Ver- und Bearbeitungstechniken und dem Markt vorab auseinander zu setzen. Es bietet Raum zu experimentieren, seinen Stil zu entwickeln und nachzudenken, ob der Beruf wohl das Richtige für einen ist.

5. Gibt es gewisse Vorkenntnisse, die angehende Kostümbildner mitbringen sollten?

• schöpferische Phantasie, dramaturgisches Denken, malerisches und zeichnerisches Talent, Farben- und Formensinn
• gute Allgemeinbildung, umfassendes Wissen auf dem Gebiet der Kunst- und Kulturgeschichte, der Kostüm-, Stil- und Milieukunde
• handwerkliche Fachkenntnisse, Kenntnisse in Textil- und Materialkunde und schnitttechnischem Zeichnen
• organisatorisches Talent, kaufmännische Fähigkeiten, Improvisationsvermögen, Flexibilität
• Kenntnisse in den verschiedenen audio-visuellen Techniken
• Menschenkenntnis, psychologisches Einfühlungsvermögen, Diplomatie und Motivationsfähigkeit
• und nicht zuletzt eine Menge Enthusiasmus!

6. Wie wirkt sich die Digitalisierung von Filmproduktionen mit Green-Screen und weiteren Verfahren auf IhrenBeruf aus? Betrachten Sie ihn als gefährdet?

Noch ist es nicht so, dass unsere Arbeit digital zu ersetzen ist, die Kostüme vor dem Greenscreen sind die Selben wie vor den Originalkulissen. Wohl hilft Greenscreen auf phantastische Weise dabei aus 100 Komparsen in historischen Kostümen etwa 5000 oder mehr zu zaubern, sowie die digitalen Künste dabei helfen die motivischen Hintergründe atmosphärischer, dramatischer etc. zu gestalten (Himmel, Berge, Meere, Gebäude etc.)

7. Welche Kriterien muss für Sie das „ideale Kostüm“ erfüllen?

„Gutes Kostümbild bedeutet für mich zuerst die Vision der Regie zu verstehen, meine Eigene zu entwickeln, gemeinsam für die Charaktere des Drehbuchs einen Lebenslauf zu entwerfen und diesen mit den Schauspielern bei den Anproben sichtbar werden zu lassen, ggf. zu variieren und auszubauen.
Sich einfühlen, verstehen was Kleidung kann. Wie stehe ich in diesem oder jenem Kostüm da? Wann wird ein Kostüm lebendig? (sicher nicht erst, wenn es gut patiniert ist), wann wirkt es einfach nur übergestülpt?
Oft sind es Kleinigkeiten, Ticks, kaum wirklich sichtbar, wie beispielsweise ein schiefer Absatz, ein Schmuckstück, das fast nicht erscheint, im Spiel
jedoch immer latent wahrnehmbar ist und das Gesamtbild unterstreicht…“ Zitat aus www.annaschmidbauer.de

8. Welche Situation finden neu ausgebildete Kostümbildner auf dem Arbeitsmarkt vor?

Leider öfter mal ein ziemliches Haifischbecken. In Deutschland sind wir Filmschaffenden gänzlich ungeschützt (unsere Berufe sind arbeitsrechtlich nicht geschützt). So kann sich letztendlich jeder Kostümbildner, Ausstatter, Bühnenbildner, Regisseur etc. nennen. Uns fehlt in Deutschland eine UNION,wie es sie in den USA gibt, in Form einer Gewerkschaft. Es fehlt oft die Solidarität der Berufe untereinander. Filmproduktionen sondieren das Feld sehr genau nach unseren finanziellen Vorstellungen, so bekommt den Zuschlag für eine Produktion oftmals nicht die/der Beste, sondern die/der Günstigste, was man schlichtweg als fatal bezeichnen kann.
Gut ist es sich in unserem Berufsverband dem V-SK www.v-sk.de (Verband der Szenen- u. Kostümbildner) zu organisieren.

9. Was erachten Sie in Ihrem Job als besonders anstrengend und für wen wäre er daher eher ungeeignet?

So schön unser Beruf ist, so stressig ist er auch. Lange Arbeitstage, keine Planbarkeit, Freiberuflichkeit samt aller Ups & Downs, ein hohes Maß anSelbstorganisation und Flexibilität sind wie ein robustes Nervenkostüm dringend notwendig ! 🙂

10. Haben Sie ansonsten hilfreiche Ratschläge oder Tipps?

Solidarität mit den Kollegen ! Dringend ein zweites bzw. drittes berufliches Standbein ! Immer weiter lernen, sich weiter bilden, offen bleiben, empathisch bleiben und eine große Portion Humor behalten  !!

Website von Anna Schmidtbauer

Video-Empfehlungen für alle, die Kostümbildner werden wollen

Berufsbild Kostümbildner: Übersicht & Aufgaben, Ausbildung & Studium

1. Was ist ein Kostümbildner?

Zusammen mit dem Bühnen- oder Szenenbildner und dem Regisseur kreiert der Kostümbildner die Kostümausstattung zu einer Theater– oder Filmproduktion. Man muss jedoch die Aufgabenbereiche eines Kostümbildners beim Theater von denen in der Film- und Fernsehproduktion unterscheiden. Möchten Sie genauer wissen, was die Aufgaben eines Kostümbildners sind und wie man sich seinen Beruf und den Weg dorthin besser vorstellen kann? Wenn ja, haben wir das Richtige für Sie.

2. Kostümbildner im Theater

Zunächst arbeitet der Kostümbildner eng mit dem Regisseur zusammen, der in Abstimmung mit der Theaterleitung ein bestimmtes Stück gewählt hat. Wenn auch die Darsteller und das Bühnenbild stehen und der Kostümbildner den Text ausreichend  analysiert und dementsprechend recherchiert hat, beginnt er, seine Entwürfe für die Kostüme und die Maske zu zeichnen. Beim Theater gehört auch die Maske zum Aufgabenbereich des Bühnenbildners, der seine Arbeit teilweise ein Jahr vor der Premiere beginnt. In dieser Zeit zeichnet der Kostümbildner zusammen mit seinem Assistenten die Figuren anhand von Skizzen und versuchen Fotos zu finden. Man muss die Darsteller und ihre Körperhaltung, ihr Verhalten und Wandlungsfähigkeit kennenlernen und festhalten.

Umsetzung in der Kostümwerkstatt: Der Kostümbildner gibt seine Entwürfe an die Kostümabteilung weiter. Zwischen der Abteilungsleitung, den Gewandmeistern, Schneidern und der Maskenabteilung wird die technische, zeitliche und finanzielle Machbarkeit abgestimmt. Die Gewandmeister stimmen dann mit dem Kostümbildner zusammen die Umsetzung seiner Entwürfe ab. Vor der Anprobe werden die Kostüme auf ihren Sitz, ihre Wirkung, ihre Möglichkeiten und Einschränkungen getestet. Spätestens bei der Ausstattungsprobe gibt es alle fertigen Kostüme und Masken auf der Bühne zu sehen, was bedeutet, dass ab diesem Zeitpunkt nicht mehr viel Zeit für Änderungen bis zur Premiere bleibt.

3. Kostümbildner im Film und Fernsehen

Produktionsphase 1 (Entwicklung): Der Kostümbildner arbeitet sich in der ersten Produktionsphase genau wie beim Theater in das Drehbuch ein, fertigt Auszüge davon an und sammelt erste künstlerische Vorschläge für seine Arbeit, führt Diskussionen mit Regie und weiteren Mitarbeitern über dramaturgische, stilistische und farbliche Umsetzung und die gewünschte Funktion der Kostüme und klärt im Voraus das Budget ab. Nachdem er dem er sich ausreichend über die Hintergründe des Drehbuchs informiert und genügend Material gesammelt hat, beginnt er damit, Skizzen und Entwürfe anzufertigen, Maße zu nehmen und Schnittzeichnungen nach dem Körperbau der einzelnen Schauspieler zu erstellen. Am Ende dieser Produktionsphase fertigt der Kostümbildner einen Organisationsplan für sein Mitarbeiterteam an und erstellt eine Kalkulation.

Produktionsphase 2 (Realisation): Nun geht es hauptsächlich darum, die bis jetzt entstandenen Ideen und Entwürfe umzusetzen und Anproben zu organisieren und die Fertigung zu überwachen.

Produktionsphase 3 (Drehzeit): Der Kostümbildner ist der Mitgestalter der dramaturgisch erforderlichen Atmosphäre im Film, bringt kurzfristige Änderungsmaßnahmen mit ein und führt parallel dazu seine Vorbereitungsarbeiten weiter.  Zu guter Letzt werden noch die Kostenstände erstellt.

Produktionsphase 4 (Abwicklung): In der vierten und letzten Produktionsphase löst der Kostümbildner in Absprache mit der Produktion das Mitarbeiterteam und die benötigten Räumlichkeiten auf, sendet ausgeliehene Kostüme zurück und rechnet alle in seinem Tätigkeitsbereich angefallenen Etats ab.

4. Wie wird man ein Kostümbildner?

Der Beruf des Kostümbildners ist keine staatlich anerkannte, geschützte Berufsbezeichnung. Wer in dieser Branche tätig ist, hat meist ein Studium oder eine Ausbildung in einem ähnlich gestalterischen Beruf (z.B. Design) beendet. Auch praktische Berufserfahrung, wie zum Beispiel ein Praktikum bei einem Kostümbildner, ist sehr gerne gesehen. Es gibt zusätzlich unterschiedliche Weiterbildungen, die, durch die sich ein Kostümbildner weiter spezialisieren kann.

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