Berufsbild Szenenbildner/-in: Interview mit Ann-Kathrin Otto

Interview: Ann-Kathrin Otto über den Beruf als Szenenbildner

1. Hallo Frau Otto. Erzählen Sie kurz etwas über Ihre Person und Ihren Beruf.

Immer neugierig und auf der Suche nach Menschen und ihren Geschichten entdecke und finde ich mit ihnen deren Räume, Farben, Stile und Vorlieben. Meine profundierte, wunderbare Ausbildung an der Oper Bonn hat mir einen unerschöpflichen Reichtum an Materialien, Experimentierfreude und altmeisterlichen künstlerisch handwerklichen Techniken und einen selbstverständlichen Umgang mit Kunst gebracht.

Aus diesem kostbaren Grundstein schöpfe ich heute noch, wenn ich sowohl beim Film für fiktive Figuren aus Drehbüchern Szenenbilder schaffe, als auch der echten Frau Müller’s altem Wohnzimmer ein neues Interieur-Kleid verpasse. 😉

Seit 2004 entwerfe und moderiere ich regelmäßig das „Wohnen&Design“ Magazin bei Volle Kanne im ZDF. Umgestaltungen mit sitesteps in Kunstgeschichte und Stilkunde – meistens schick 

Völlig unschick in Malerklamotten liebe ich es genauso auf 8 Meter hohen Gerüsten großflächige Malereien an Häusern, Backdrops und Wänden zu fertigen.

2. Haben Sie sich als Szenenbildnerin auf bestimmte Gebiete spezialisiert? Welche Möglichkeiten zur Spezialisierung gibt es?

Nein, ich bin offen und gespannt auf alle Zeitepochen und Stile. Selbst eine zunächst scheinbar nicht herausfordernde Büroserie wie „Stromberg“ entpuppte sich als nuancenreich, erfinderisch und atmosphärisch in der Farbgebung. Mein Regisseur und ich entwickelten eine ganz neue Art, fernab von bisher gewohnt knallbunter und lauter Sichtweise, mit denen die meisten Comdey-Serien ausgestattet waren. Wir wollten das Gegenteil: düsterpastellig, dicht und atmosphärisch – eher den skandinavischen Krimis angelehnt. 😉

Der ganze matschige Mikrokosmos des grotesk-absurden Büroalltags sollte in leberwurstartigen Farben an den Wänden und Blusen, die davor- sinnbildlich- verschwinden, widergespiegelt werden. Dieses Prinzip haben wir bis zum Schluß durchgezogen: Es gab bis auf die Spielrequisiten keine einzige satte Farbe! Bunt haben wir uns verboten 

Natürlich kann man sich spezialisieren. Ich kenne Kollegen, die z. B. die Historie lieben. Andere sind Experten in SFX Bauten und wenn man oft ähnliche Filme ausstattet, wird man für spezielle Filme auch immer wieder gern gebucht.

Ich finde, das Schöne an unserem Beruf ist doch, dass es so viele unterschiedliche Geschichten und somit auch Raumstile gibt und selbstverständlich verlangt auch jede Drehbuchfigur nach einer bestimmten ganz eigenen Atmosphäre.

3. Welche Verantwortung tragen Sie als Szenenbildnerin bei Filmproduktionen?

Neben Budgeteinhaltung betreue ich die Bauten, vermittele zwischen Regie, Kamera, Produktion und Art Department und trage Sorge mit allen Entscheidungen und ihren Konsequenzen für die zeitgerechte Fertigstellung zum Dreh.

4. Frau Otto, Sie haben eine Ausbildung zur Theatermalerin und später eine Weiterbildung zur Filmausstatterin gemacht. Welche Vorteile hat Ihnen die Ausbildung gebracht? Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach ein Studium, oder eine Ausbildung in dieser Branche?

Man kann quereinsteigen.
Aber: Eine solide Ausbildung in einem künstlerisch-handwerklichen Beruf (wie z. B. Bauzeichner, Theatermaler, Requisiteur, Raumausstatter, Modellbauer usw.) oder ein Studium im Bereich Innen/Architektur oder auch Kunstgeschichte/Theaterwissenschaften ist Gold wert und schafft ein profundiertes Grundverständnis für Atmosphäre, Farbe, Raum, Licht und damit auch das Verlangen, Geschichten einen Raum geben zu wollen!

5. Halten Sie auch Vorkenntnisse wie Praktika und andere Fortbildungen in diesem Beruf für sinnvoll?

Nicht nur sinnvoll- unabdingbar! Am besten in alle Bereiche, die interessieren reinschnuppern, mitmachen, engagieren!

Wer Erfolg haben will, sollte jede Ausstattungsabteilung eines großen Fernsehsenders, Theaters und einer freien Produktionsfirma, die gerade einen großen Kinofilm herstellt durchlaufen. Mittelständische Produktionsfirmen sind auch interessant, weil sie oft Magazin/Show Formate abwickeln, die wiederum noch andere Anforderungen an Ausstattung stellen. Man kann auch bekannte Szenenbildner persönlich anschreiben und begleiten.

6. Welches war bisher Ihr spannendstes Projekt?

Tatsächlich der Kurzfilm einer Freundin und damaligen KHM Absolventin Susanne Boeing „Warteschleife Zukunft“ (von 2001 mit Gustav Peter Wöhler, Sandra Borgmann und Lukas Gregorowicz).

Für die absurd-skurille Science-Fiction-Story haben mein Team und ich mit damals 5000,- DM für die Gesamtaussstattung unfassbar bekloppte, selbstgemachte Requisiten, Möbel und das aberwitzige Set der Zukunft mit Teilen aus Schrottplätzen, ausrangierten Ledersitzen, kaputten Theatergegenständen und viel Liebe zum experimentellen Basteln hergestellt. Not macht eben oft erfinderisch!

Spannend, weil historisch aus den 1980er Jahren in der eigenen Jugend schwelgend und autobiografisch die Protagonisten kennend, fand ich auch den Kinofilm „Das Jahr der ersten Küsse“ (2002 von Regisseur Kai Wessel).

7. Was war für Sie bisher die größte Herausforderung in Ihrem Beruf?

Als Theatermalerin (Scenic Artist beim Film genannt) einen 100 m langen und 13 m hohen Backdrop für den deutsch/amerikanischen Kinofilm „Der kleine Vampir“ (1999) in den WarnerBros Filmstudios zu malen. Als Szenenbildnerin für 5000,-DM ein einzigartiges noch nie dagewesenes exorbitant anderes Science-Fiction Set zu kreieren.

8. Welche Berufschancen haben angehende Szenenbildner?

Alle sagen immer: Kein künstlerischer Beruf hat Chancen, der Markt ist voll und die Gelder knapp. Das stimmt teilweise. Und erst recht für den, der die Einstellung mitbringt „ich will irgendwas mit Medien machen“. Der fliegt per se schon mal raus Also: Wie für alle Berufsanfänger gilt auch gerade für angehende Szenenbildner: Neugierig sein, lernen wollen, erfahrene Menschen begleiten, zugucken, aufsaugen, mitmachen und bereit sein auch mal doofe Aufgaben zu übernehmen, Filme schauen, phantasievoll sein, Bilder im Kopf entwickeln lassen können, diese einem Team präzise mitteilen oder illustrieren zu können, Freude am Gestalten haben, Bauen, Basteln, Werken, Materialien. Das ist schon mal ein Anfang.

9. Welchen Belastungen sind Sie arbeitsbedingt ausgesetzt, welche Fähigkeiten werden von einem Szenenbildner erwartet und für wen ist für diesen Job eher ungeeignet?

Als Head of Art Department hält man eine Führungsposition inne mit Verantwortung vor Produzent und Regie. Dessen muss man sich bewusst sein. Entscheidungen auch in all ihren Konsequenzen zu fällen und zu tragen erfordert Selbstwusstsein. Man muss mit personellem und zeitlichen Druck umgehen können und keine Scheu vor Auseinandersetzung haben. Erfinderisch, phantasievoll, antreibend in Ideengebung, urteilskräftig und möglichst präzise sein zu können ist in der Vorbereitungsphase wichtig. Erfinderisch sein und die Gabe, improvisieren zu können, ist an den Einrichtungstagen und am Set wichtig. Dramaturgisches Mitdenken (Wie kann sich eine Szene wo auflösen? Warum kann der Raum nur so und nicht anders aussehen?) wird vorausgesetzt.Zwischen Menschen vermittelnd in Kooperationsbereitschaft bei gleichzeitiger selbstbewußter Urteilskraft zu überzeugen ist mindestens genauso wertvoll. (Kann ich rechtfertigen, dass dieses Bild ein Bau werden soll… wie bespreche ich mit meinem Regisseur z. B. aus Kostengründen den Wegfall eines Motivs, was kann ich ihm alternativ entwerfen und vorschlagen… wie überzeuge ich ihn davon, dass Motiv A aus Sicht der Ausstattung besser geeignet ist als Motiv B) Szenenbild ist oft mehr Politik als Pinseln!

10. Was würden Sie einem Berufseinsteiger noch mit auf den Weg geben?

Siehe Punkt 8 und Sei neugierig! Mach mit! Engagier Dich! Schau viele Filme und wenn Du gerade unter Zeitdruck auch noch zeichnen kannst und kommunikationsführend bist, ist das schon mal nicht verkehrt. querdenken, anders denken. Sinn für Haptik und Materialien bringen auch weiter, denn nichts schafft mehr Inspiration als Probieren und Anfassen! Offen sein und niemals übersättigt- das ist der Tod der Kreativität.

Website von Ann-Kathrin Otto

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Berufsbild Szenenbildner: Übersicht & Aufgaben, Ausbildung & Studium

1. Was ist ein Szenenbilnder?

Der Begriff des Szenenbildners ist einer von mehreren Synonymen für den Beruf des Filmarchitekten. Dazu gehören außerdem folgende Bezeichnungen: Filmausstatter, Bühnenbildner, Art Director und Szenograph. Sowohl in der Spielfilm-, Fernseh- und Videoproduktion, als auch beim Dreh von Industrie- und Werbefilmen ist das künstlerisch-eigenschöpferische Gestalten und technisch- organisatorische Planen der Filmwelt in inhaltlicher, künstlerischer, technischer und finanzieller Hinsicht seine Hauptaufgabe.

Der Szenenbildner arbeitet sich in das Stück ein, prüft die im Film beschriebenen Orte auf Ihre Tauglichkeit und ist für die Realisierung der szenischen Umsetzung durch das Beschaffen der benötigten Ausstattung und Festlegung der Drehorte verantwortlich. Ein Szenenbildner lässt eigenverantwortlich seine Ideen und Entwürfe in die Dreharbeit miteinfließen und ist derjenige, der das Milieu und die Wirkung einer einzelnen Szene definiert. Möchten Sie genau wissen, wie man ein Szenenbildner wird und was ein Szenenbildner exakt tut? Wir haben im Folgenden eine knappe, allgemein formulierte Beschreibung verfasst.

2. Wie wird man zum Szenenbildner?

Es gibt in Deutschland verschiedene akademische Studiengänge, an denen man sich als Szenenbildner ausbilden lassen kann. Davon gehören viele dem Deutschen Fachverband. Neben dieser Erstausbildung ist in dieser Branche Erfahrung als Bühnenbildner oder Bühnenbildner Assistent im Theater gefordert. Man kann sich wahlweise in verschiedenen kleinen Teilbereichen weiterbilden und auf bestimmte Bereiche spezialisieren.

3. Der Arbeitsalltag während der Produktionsphasen

Produktionsphase 1:

Der Szenenbildner liest zunächst das Drehbuch weit bevor die richtigen Dreharbeiten beginnen, macht Auszüge davon und setzt sich damit auseinander. Das bedeutet er sammelt Arbeitsvorlagen und recherchiert sehr viel. Es gibt dann eine erste Besprechung mit Regie, Kameramann, Kostümbildner und anderen Teammitgliedern über die dramaturgische und stilistische Zusammensetzung der einzelnen Elemente. Der erste Ansprechpartner des Szenenbildners ist zwar der Regisseur, er muss sich aber auch mit der Produktion über den Zeitplan, das Budget und die Drehorte auseinandersetzen, damit alles aufeinander abgestimmt werden kann. Wenn ein Szenenbildner Entwürfe, Modelle und Skizzen hergestellt hat, werden technische Werkstattzeichnungen angefertigt und anfallende Kosten kalkuliert. Er sucht seine Motive unter Berücksichtigung künstlerischer Aspekte heraus, legt die Schauplätze fest und stellt sich ein Team zusammen, das seine Vorstellungen unter künstlerischem und technischem Aspekt umsetzt. Natürlich kommen individuellere Aufgaben, wie z.B. die Tricktechnik hinzu. Der Szenenbildner bestimmt den Drehplan mit und präsentiert der Regie, dem Kamerateam und der Produktion, was er vorbereitet hat.

Produktionsphase 2:

Nachdem der Szenenbildner seine Aufträge verteilt hat, liegt sein Tätigkeitschwerpunkt auf der Kontrolle der beauftragten Firmen nach Ihrem Vorankommen. Er stellt alles zusammen, was er für den Aufbau der Bühne geplant hat und ist verantwortlich für den Aufbau der Dekoration und die farbliche Gestaltung der Bühne. Die fertigen Dekorationen werden in Verbindung mit Regie, Kamera und Kostüm abgestimmt.

Produktionsphase 3:

Nun beginnt die Gestaltung der dramaturgisch erforderlichen ästhetischen und emotionalen Atmosphäre, bei der der Filmausstatter auch mitwirkt. Außerdem werden bei Bedarf Verbesserungen und Änderungen an den künstlerischen Arbeiten vorgenommen. Der Szenenbildner nimmt nach der für die verschiedenen Drehtage erstellten Übersicht Vor-, Um- und Rückbauten vor, vergleicht die angefallenen Kosten mit der in der Produktionsphase 1 erstellten Kalkulaton und nimmt an Mustervorführungen teil, um zur Perfektion beizutragen.

Produktionsphase 4:

In der vierten und letzten Produktionsphase kontrolliert und überwacht der Filmarchitekt die Geschäftsabwicklungen. Zu guter Letzt löst er noch das Mitarbeiterteam auf und rechnet die insgesamt angefallenen Kosten ab.

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