Interview: Rodja Kükenthal über den Beruf als Kameramann
1. Hallo Herr Kükenthal, präsentieren Sie sich und Ihren Werdegang kurz.
Ich bin 1996 nach Abitur und Zivildienst nach Hamburg gekommen und habe ein 4-monatiges Praktikum beim Studio Hamburg im Kameraverleihpark gemacht. Darauf folgten diverse Setpraktika in der Kameraabteilung, sowie beim Licht, dann einige Jahre Materialassistenz und 1. Kameraassistenz.
Seit 2005 habe ich häufig als Operator und 2nd Unit-Kameramann gearbeitet, mir dann eine Steadicam-Ausrüstung gekauft und in den folgenden Jahren mehr und mehr als Steadicam-Operator und 2nd Unit Kameramann gearbeitet und immer weniger assistiert.2012 war ich das erste mal verantwortlicher DoP (Director of Photography) bei einer Fernsehserie und habe seitdem 18 Folgen verschiedener Serien, sowie 7 Spielfilme, darunter 3 Tatorte als DoP zu verantworten.
2. Wenn Sie sich auf bestimmte Gebiete spezialisiert haben, erklären Sie auf welche und warum?
Die Fähigkeit mit der Steadicam umgehen zu können und bei einem Dreh jeder Zeit darauf zurückgreifen zu können ist schon toll. Ich denke auch, das es mir ein Stück weit den Weg geebnet hat überhaupt selbst Kameramann zu werden.
Seit einiger Zeit habe ich auch einen eigenen stabilisierten Gimbal, der hin und wieder zum Einsatz kommt. Je nach Format, visuellem Konzept und nicht zuletzt Geschmack des Regisseurs, nutze ich diese Tools sehr viel bis gar nicht. Beim letzten Spielfilm gab es z.B. quasi nur Handkamera.
3. Was reizt Sie besonders am Beruf des Kameramanns?
Es macht viel Spaß ein Drehbuch zu lesen und sich dann zusammen mit dem Regisseur auszudenken, wie man das visuell umsetzen kann. Dann kriegt man auch noch irre viel Geld und viele gute Leute an die Seite gestellt die einem dabei helfen….ist wirklich toll.
Kameramann / -Frau bei szenischen Filmproduktionen zu sein ist wahnsinnig vielseitig, man muss kreativ, praktisch, technisch, künstlerisch und teamfähig sein. Ich habe mit sehr interessanten Leuten zu tun und komme oft an Orte die normalerweise nie zu sehen bekäme. Am Ende geht es aber immer darum, eine Geschichte möglichst gut zu erzählen und das macht in der Regel einfach Spaß.
4. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach ein Studium, oder eine Ausbildung in dieser Branche und warum?
Als ich vor zwanzig Jahren angefangen habe, hatten etwa 5% der Kameramänner/Frauen zuvor eine Hochschule besucht. Auch waren diese nicht mit den Filmhochschulen von Heute zu vergleichen. Es ist mittlerweile sehr schwer geworden sich ausschließlich über die Praxis zum DoP hochzuarbeiten.
Fast alle Debut-Kameramänner und Frauen kommen von der Hochschule und haben da auch schon ihre Kontakte zu Regisseuren geknüpft. Wer z.B. in Ludwigsburg studiert hat, hat beim Abschluss des Studiums in der Regel eine Webseite mit einem Showreel, das sich echt sehen lassen kann. Die Studenten sind oft wahnsinnig gut ausgebildet, vor allem technisch und was die Post angeht. Ich habe oft bei Hochschulfilmen mitgewirkt und konnte immer wieder beobachten das da sehr gute Sachen entstehen. In der Regel sind sie aber nicht dem großen zeitlichen und finanziellen Druck ausgesetzt und müssen daher auch anders bewertet werden.
Es wird jedes Jahr ein Vielfaches von dem, was die Branche braucht, von den Hochschulen ausgespuckt. Daher rate ich allen jungen Leuten oder meinen Praktikanten immer, zunächst ein paar Jahre am Set zu verbringen bevor man sich an einer Filmhochschule bewirbensollte. Wenn man unbedingt hinter die Kamera will sollte man heute aber auf jeden Fall studieren.
5. Welche Vorkenntnisse halten Sie für besonders sinnvoll?
Wie gesagt, es gibt sicherlich einige Ausnahmen, aber meiner Meinung nach macht ein Studium überhaupt erst Sinn, wenn man mindestens ein paar hundert Drehtage am Set verbracht hat. Nur dann hat man die Erfahrung, bestimmte Situationen richtig einzuschätzen und angemessen auf Probleme zu reagieren. Ohne Fortbildung kommt heute kein DoP mehr aus, die Technik entwickelt sich heute sehr schnell und man muss ständig dran bleiben, damit man den Überblick behält. Das war vor zwanzig Jahren noch anders, da gab es hin und wieder eine neue Emulsion, entweder von Kodak , oder von Fuji und hier und da mal neue Objektive.
6. Erzählen Sie uns von Ihrem aufregendsten Augenblick mit der Kamera?
Aufregend ist es immer dann, wenn man es nur einmal drehen kann, dann werde ich schon mal nervös, oder bin angespannt. Oder wenn sich bestimmte Lichtsituationen nicht wieder herstellen lassen.
Ich musste als Assistent mal eine Kamera von einem fliegenden Hubschrauber abbauen, weil sich der Kopf nicht mehr schwenken ließ und das Objektiv senkrecht nach unten zeigte und beim Landen aufgesetzt wäre, das war sehr aufregend. Würde ich heute mit Sicherheit auch nicht mehr machen.
7. Was war für Sie bisher die größte Herausforderung beim Dreh? Begründen Sie kurz!
Das hört sich jetzt nicht so spektakulär an, aber meistens geht es darum irgendeine Lichtsituation glaubhaft herzustellen, man hat aber einfach nicht die Mittel, „ Zwei Menschen werden bei Nacht am Strand angespült, es ist stockfinster….“ so etwas ist unter Umständen sehr aufwändig zu beleuchten, wenn man will das es gut aussieht. Das versteht aber der Produzent nicht unbedingt und der will auch nicht extra ein Moonlight und ein Boot bestellen. Bei einem Zusammenstoß von zwei Flugzeugen ist allen klar, dass man Stuntman, VFX, SFX etc. braucht, da muss man nicht alle mühsam von überzeugen.
Extrem schwierig ist sicherlich auch eine Szene, die bei Dämmerung spielen muss, viel Kunstlicht und Feuer darin vorkommt und die dann auch noch 2 Minuten geht und 14 Einstellungen haben soll. Wie man mit so einer Situation umgeht und was es da für Möglichkeiten gibt, lässt sich nicht so kurz zusammenfassen. Man weiß auch unter Umständen gar nicht immer alles, Hauptsache ist aber, dass es niemand merkt!
8. Welche Berufschancen haben angehende Kameramänner?
Ich kenne nicht die wirklichen Zahlen, aber gefühlt gibt es kaum einen anderen Beruf, in dem es so viele gut ausgebildete Menschen gibt, die nichts zu tun haben. Es gibt einfach viel zu viele Filmhochschulen für unseren kleinen Markt, da ist es mit Sicherheit extrem schwer sich durchzusetzen.
9. Welchen Belastungen ist Kameramann ausgesetzt, welche Fähigkeiten werden von einem angehenden Kameramann erwartet und wer ist für diesen Job eher ungeeignet?
Ich empfinde als eine der Hauptbelastungen gar nicht mal die intensiven Arbeitszeiten die wir während einer Produktion haben, sondern die häufige Abwesenheit vom Wohnsitz und der Familie. Das ist nicht einfach unter einen Hut zu bekommen. Mal eben 4 Monate für einen Zweiteiler nach Prag, das muss man erst mal mit seinem Privatleben auf die Reihe kriegen. Teamfähigkeit ist mit Sicherheit ein absolutes Muss, man hat eine ganze Menge von Leuten zu koordinieren um zu einem guten Ergebnis zu kommen.
10. Was würden Sie einem Berufseinsteiger noch mit auf den Weg geben?
Ich fühle mich ja selber noch ein bisschen wie ein Einsteiger, aber man muss immer für alles einen Plan haben. Außerdem habe ich mehr und mehr das Gefühl, dass man kann nicht mutig genug sein kann.
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Berufsbild Kameramann: Übersicht & Aufgaben, Ausbildung & Studium
1. Was ist ein Kameramann?
Der Begriff Kameramann bezeichnet viele unterschiedliche Berufe, die sich folgendermaßen abgrenzen:
– Tätigkeit bei „Laufbildern“ wie zum Beispiel Sportübertragungen und anderen Live-Aufnahmen wie TV-Shows und anderen journalistischen Bereichen.
– Künstlerische Bildgestaltung beim inszenierten Filmwerken. Hierzu zählen Spielfilme, Fernseh- und Videowerke, Serien und Werbung, aber auch der Bereich der gestaltenden Dokumentar- und Industriefilme.
In diesem Artikel gehen wir näher auf das zweite dieser Berufsbilder ein.
Auch im Bereich der Filmwerke bezeichnet der Begriff Kameramann (meint in diesem Zusammenhang natürlich auch Frauen) noch ein riesiges Spektrum an verschiedenen Verantwortungsbereichen. Ein Kameramann ist beispielsweise nicht zwingend die Person an der Kamera. Wenn in Actionszenen viele verschiedene Kameras die gleiche Szene aufzeichnen und dabei den Anweisungen des Chefkameramanns folgen, bezeichnet man diese Aufgabe dann als die des „Schwenkers“.
Der Chefkameramann ist für die Bildgestaltung des Films verantwortlich und ist entsprechend der Größe der Crew der Koordinator verschiedener weiterer Kamerateams.
2. Voraussetzungen für die Tätigkeit eines Kameramanns
In Deutschland gibt es keinen allgemein anerkannten Ausbildungsberuf für Kameraleute. Die Einarbeitung in das Fachgebiet erfolgt in der Regel über verschiedene Praktika bei Filmproduktionen. Allerdings gibt es auch einige Ausbildungsberufe und andere Tätigkeiten, die als Vorlauf für eine Karriere als Kameramann geeignet und empfehlenswert sind. Dazu zählen unter anderem:
- Ausbildung zum Fotografen
- Ausbildung zum Lichtbildner
- Praktikum in einem Filmlabor
- Praktikum in einem Kopierwerk
- Praktikum bei einem Geräteverleih zur Ausbildung der technischen Grundkenntnisse
Europaweit gibt es mehr und mehr erfolgreiche Ausbildungsstätten oder Hochschulen mit dem Studiengang „Kamera“. Die praktische Erfahrung gilt es aber auf eigene Faust zu sammeln. Nur so können die komplexen Arbeitsabläufe im kommerziellen Produktionsalltag verinnerlicht werden. Als generelle Voraussetzungen für Kameraleute gelten folgende Punkte:
- Gutes Sehvermögen
- Physische und psychische Belastbarkeit
- Flexibilität
- Gute Allgemeinbildung
- Technisches Verständnis
- Ausgeprägtes Stilgefühl
- Durchsetzungsvermögen
- Organisationstalent
- Führungsqualitäten
- Kenntnisse über Kunstgeschichte, Theaterwissenschaft und Erfahrungen in anderen künstlerischen Bereichen
3. Der Aufgabenbereich
Die eigenschöpferische und eigenverantwortliche Bildgestaltung der Filmwerke – immer in Zusammenarbeit mit der Regie – stellt die Hauptaufgabe des Kameramanns dar. Sie umfasst sowohl der künstlerische, als auch die technische Mitarbeit an der Filmherstellung. Der Chefkameramann überwacht und bestimmt im Rahmen des Kamerateams die technischen und gestalterischen Parameter der Aufnahmen. Diese beinhalten ins Besondere die Beleuchtung, die Bildkomposition und die Kameraführung.
Trotz anspruchsvoller Technik hat der Kameramann bei seiner Arbeite großen Spielraum für Interpretationen und eigene kreative Einflussnahmen. Am Beispiel eines Filmdrehs kann man sich den Arbeitsalltag eines Kameramanns gut vor Augen halten:
- Vorbereitung: Beginnt in der Regel schon Monate vor den Dreharbeiten. Hier werden finanzielle und personaltechnische Entscheidungen getroffen, sowie ein Grundkonzept für die Gestaltung des Films erarbeitet
- Einarbeitung in das Drehbuch: Entwickeln einer visuellen Struktur und technischen Problemlösungen
- Einarbeitung in das Drehbuch: Entwickeln einer visuellen Struktur und technischen Problemlösungen
- Vorgespräche mit der Regie über das Drehbuch, eventuelle Änderungen, stilistische Konzepte, besondere Gestaltungselemente und Darstellercasting
- Vorgespräche mit der Produktion über Budget, Drehplan, Technik und Personal
- Vorgespräche mit der Ausstattung über Drehorte, Motive, Bauten, Licht- und Farbgestaltung
- Vorgespräche mit Kostüm- und Maskenbildner über die Abstimmung von Kostümstoffen und Schminktechniken
- Motivsuche und –Bestimmung: Auswahl der Schauplätze mit Regie, Ausstattung und Produktion. Festlegung einzelner Einstellungen. Entwicklung von ersten Lichtkonzepten.
- Bestimmung von technischen Ausrüstung und Labor
- Bestimmung des technischen Personals
- Probeaufnahmen von Darstellern, Kostümen, Dekorationen, Bauten, usw.
- Testaufnahmen zur Überwachung der Kameras, Objektiven, Filmmaterial und Laborarbeiten
- Drehzeit: Hier erfolgen die Ausgearbeiteten Dreharbeiten von Szene zu Szene – meist in durchmischter und nicht chronologischer Reihenfolge. Je nach Art der Produktion schwankt hier die Dauer stark.
- Postproduktion: Nach den Dreharbeiten folgt die letzte Produktionsphase, in der Schnitt, sowie Trick- und Spezialeffekte eingearbeitet werden.